Erklärung der SdJ – Jugend für Mitteleuropa e.V. am Sudetendeutschen Tag 2024
Mario Hierhager, Vorsitzender (es gilt das gesprochene Wort)
Sehr verehrte Ehrengäste, meine sehr geehrten Damen und Herren,
wir selbst wünschten es uns am allermeisten, eine Erklärung der Jugend einleiten zu können, ohne einer weltpolitisch zerrütteten Gegenwart. Aber es ist leider schier unmöglich. All die Kriege und Krisen, all das kann tiefe Einschnitte für uns alle bedeuten, aber sie hinterlassen tiefe Kerben der Verunsicherung besonders bei jungen Menschen, deren Naturell es ist, die Zukunft gestalten zu wollen.
Aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse zeigen eine junge Generation, die oft nicht positiv in die Zukunft sieht. Das ist nicht zurückzuführen auf eine verweichlichte Generation, sondern auf eine Aneinanderreihung von Belastungen, die nicht den altersentsprechenden Herausforderungen entsprechen. Obendrein wird derzeit über die Einführung eines verpflichtenden Wehr- und Dienstjahres für junge Menschen diskutiert, was sicherlich richtig ist und aktuellen Entwicklungen Rechnung trägt, allerdings sollte die Kommunikation in Richtung Jugend dringend überdacht werden.
Man kann in einer Demokratie gewiss darum streiten, ob Gendern oder die Entkriminalisierung von Cannabis zielführend ist, aber zunehmend entsteht der Eindruck, dass die wichtigsten Anliegen junger Menschen, wie Klimaerwärmung, eine inklusive Gesellschaft, Bildungsqualität oder bezahlbarer Wohnraum aufgrund des nicht ganz so hohen Wählerpotentials immer mehr in den Hintergrund geraten, ja manchmal sogar bekämpft werden. Gleichzeitig wird aber eingefordert, dass junge Menschen sich für die Gesellschaft und Ältere einzusetzen haben. Dabei wird viel zu oft vergessen, dass dies für viele junge Menschen eigentlich eine Selbstverständlichkeit ist, für uns in der SdJ allemal, denn unsere sudetendeutschen Wurzeln lehren uns, Verantwortung anzunehmen.
Allerdings haben jüngere Generationen auch das Recht, in ihren eigenen Anliegen gehört und ernstgenommen zu werden und dieser Eindruck verblasst gesellschaftlich zunehmend und endet viel zu oft in Resignation.
Neuesten Analysen zufolge wenden sich junge Erwachsene, insbesondere junge Männer immer stärker der AfD zu. Das ist eine fatale und beängstigende Entwicklung, bei der wir alle in der Verantwortung stehen! Politische Zuspitzung ist Teil des Geschäfts, aber rhetorische Überspitzung zur Rückgewinnung von Wählerpotential, die stellenweise einen gewissen Anstand vermissen lassen, vertiefen doch nur die gesellschaftlichen Gräben! Auch politische Überlebensstrategien, bei denen man aufgrund eigener Fehler in der Jugend medial in ein Opfernarrativ verfällt, sind weitere Beispiele für die zahlreichen Brandbeschleuniger in den glimmenden Konflikten unserer Gesellschaft.
Am Ende hilft dies aber niemandem mehr als den Extremen von rechts und von links und gibt weitere Starthilfe für Wut, Hass und Gewalt gegenüber denjenigen, die Verantwortung übernehmen wollen für unsere Gesellschaft.
Die inoffiziell Abgesandten aus Moskau und Peking nehmen diese Geschenke gerne an und nutzen dies schamlos für ihre eigene zu verachtende, aufwiegelnde Agenda aus und biedern sich damit Despoten und Kriegsverbrechern an. Wenn sich darüber hinaus demokratische Repräsentantinnen und Repräsentanten zu sehr an Stimmungen und nach der vermeintlichen Schwarmintelligenz in den Sozialen Medien richten, vereinfachte, verkürzte Antworten geben, geben sie zu viel Verantwortung ab und am Ende verliert unsere demokratische Freiheit.
Auch ist es der falsche Weg, zu uns geflüchtete Menschen oder sozial schwache Menschen pauschal zu instrumentalisieren und mit den Emotionen der Gesellschaft Wahlkampftaktik zu betreiben. In der Politik gibt es keine einfachen Antworten auf komplexe Fragen!
Wir sollten mit unserer Demokratie wirklich sehr vorsichtig sein! Auch die Mütter und Väter des Grundgesetzes hatten Ihre Erfahrungen mit Volksmeinungen, die vor nicht allzu langer Zeit in nationalsozialistischer Bösartigkeit und Dummheit gipfelten und damit auch unheimliches Leid über die Sudetendeutschen brachte.
Nun stehen wir wieder her und die gesellschaftlichen Gräben vertiefen sich zunehmend, auch in der Jugend! Und jetzt fragen sich vielleicht gerade einige hier in der Halle, was hat das aber bitte mit der SdJ und ihren Mitgliedsgruppen zu tun? Seit 75 Jahren ist die SdJ und ihre Mitgliedsverbände sehr erfolgreich darin, den Spagat zu wagen zwischen historischer Verantwortung und der Bewahrung der Traditionen auf der einen Seite, aber auch der ständigen Weiterentwicklung und Einbettung dieses immateriellen wie materiellen Erbes in eine sich ständig verändernde Gegenwart. Wir finden, die Stärke einer Demokratie macht sich auch dadurch aus, wie gut sie die Bedürfnisse und Würde von Minderheiten und von Schwächeren einer Gesellschaft achtet. Daher ist es auch der falsche Weg, die staatliche Unterstützung für die Vertriebenenarbeit allgemein in Deutschland zusammenzustreichen. Auch dies hat direkte Auswirkungen auf unsere demokratiefördernde und grenzüberschreitende Arbeit und schwächt nur weiter den gesellschaftlichen Zusammenhalt.
Wir haben längst verstanden, wer seine Wurzeln nicht kennt, wächst in keine Zukunft. Wer aber dann nicht entwächst, kann sich nicht zum Neuen entfalten. Gerade hierfür steht auch unser Freund Bernd Posselt und die Sudetendeutsche Landsmannschaft, die immer wieder beweisen, dass sie aus der geschichtlichen Verantwortung heraus voll hinter dem diesjährigen Motto des STs stehen können.
Hier ist auch auffällig, dass die Personen, die das bis heute bekämpfen wollen, keine jungen Menschen auf ihrer Seite haben. Aber wären frühere Generationen der Jugend nicht auch unbequem gewesen, gäbe es heute keine wunderbare grenzüberschreitende Verbindung mit unseren tschechischen Freundinnen und Freunden.
Schließlich war es auch die SdJ, die als einer der ersten Gruppierungen überhaupt verstanden hat,
dass die Aufarbeitung der Vergangenheit nur mit unseren tschechischen Nachbarinnen und Nachbarn gemeinsam geschehen kann. Ja, wir sind manchmal unangenehm, wir sind nicht immer so, wie es sich ältere Generationen wünschen und das muss so sein. Aber wir stehen hier, wir stehen in der Mitte der Gesellschaft und wir bleiben hier.
Ganz in unserem Geiste verhält sich der diesjährigen Karlspreisträger, Herr Kommissionspräsident a.D. Jean-Claude Juncker. Er steht sinnbildlich für die europäische Idee der Vergangenheit und der Zukunft, in der Staats- und Parteiengrenzen keine Rolle, die Grenzen der Toleranz gegenüber den Feinden unserer Werte jedoch sehr wohl eine Rolle spielen. So verwundert es nicht, dass auch er zuweilen den Finger in die Wunden legt und immer zu seinen Standpunkten steht und das demokratische Europa oftmals auch mit sehr klaren Worten verteidigt gegen Populisten, Selbstdarstellern und nationalen Egoismen. Auch in unseren Reihen ist mit Blick auf das aktuelle Zeitgeschehen kein Platz für Antisemitismus, kein Platz für antimuslimischem Rassismus oder Extremismus jedweder Couleur. Wir waren und sind niemals gegen einzelne Nationalitäten, Ethnien oder Glaubensrichtungen.
Wir verschaffen uns jedoch Gehör und wir sagen lautstark nein zu Angriffskrieg, nein zu Verbrechen an der Menschlichkeit und nein zu Flucht und Vertreibungen auf der ganzen Welt. Wir haben verstanden, dass Europa und die Demokratie die größten Garanten für eine lebenswerte Zukunft sind
und diese werden wir weiter verteidigen. Und deshalb rufen wir auch die Politik, die Generationen untereinander und die Gesellschaft insgesamt zu weniger emotionsgetriebenem Reaktionismus
und wieder zu mehr Diskussionsbereitschaft und Verständnis für den anderen auf.
Nur so bleibt unsere Demokratie aus innen heraus stabil und kann die kommenden Herausforderungen bewältigen.
Abschließend ist es mir nun eine große Freude, in die jetzt folgende, spannend erwartete Grußbotschaft aus Böhmen überleiten zu dürfen. Bitte lassen Sie uns alle gemeinsam nun den Botschafter der Tschechischen Republik in Berlin herzlich begrüßen, Herrn Tomáṡ Kafka. Vielen Dank!